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Der Anspruch auf Wahrheit – eine Illusion

Eine Frau streckt kraftvoll ihre Faust aus und symbolisiert den Kampf darum, recht haben zu wollen. Im Hintergrund ist ein Sonnenuntergang zu sehen.
Lesezeit: 2 Minuten

Allgemeinbildung mit der Serie The Big Bang Theory

Aus der Serie “The Big Bang Theory” kenne ich den Namen von Erwin Schrödinger. Es wird über ein Gedankenexperiment gesprochen, welches als “Schrödingers Katze” bekannt ist. Letzte Woche bin ich nun auf einen anderen Satz von dem Physiker gestoßen, der mich beschäftigt hat:


“Jedermanns Weltbild ist und bleibt eine geistige Konstruktion und hat darüber hinaus keine nachweisbare eigene Existenz” (Erwin Schrödinger, Mind and Matter, 1958)


Der Satz klingt kompliziert, die Aussage ist einfach: Die Vorstellungen von der Welt sind stets subjektiv. Es ist eine Illusion, dass es eine absolute Wahrheit gibt. Bisher waren für mich Aussagen dieser Art eher im Bereich der Spiritualität, vielleicht auch im Bereich Kommunikationstraining oder Systemisches Coaching angesiedelt. Ich kannte es eher aus einem Umfeld, in dem Verhalten wie recht haben wollen beleuchtet wird. Dass nun ein Physiker dies so klar konstatiert, hat mich überrascht.

Warum wollen wir immer wieder recht haben?

Ich habe ganz entspannt zum oben stehenden Satz des schlauen Physikers genickt. Auf die mir dann kommende Folge-Frage habe ich für mich aber keine Antwort gefunden: wenn ein Weltbild stets subjektiv ist und es keine absolute Wahrheit gibt, warum streite ich mich immer wieder mit Menschen darüber, wer recht hat? Ich vermute, dass min. 80 % meiner Streitgespräche sich darum drehen, dass ich recht haben will. Ich halte meine Meinung, meine Sicht auf die Welt für die richtige und die anderen liegen daneben. Dabei ist die Erkenntnis in dem Satz schon enthalten: es ist meine Sicht auf die Welt. Und du hast deine Sicht auf die Welt. In der abstrakten Form ist das leicht zu bejahen, im Alltag bildet es dennoch immer wieder die Basis für Auseinandersetzungen.

In der Theorie ist alles klar, aber in der Realität…

Beim letzten Streit mit meinem Mann habe ich mich völlig im Recht gesehen. In meinem Kopf war es absolut unakzeptabel, dass er schon wieder lange geschlafen hat, und ich das Frühstück machen musste – so wie immer. Erschwerend kam hinzu, dass ich inzwischen richtig großen Hunger hatte. Wer mich kennt, weiß, dass das für mich und meine Umwelt eine sehr schwierige Situation ist. Das dann folgende Streitgespräch war unerfreulich und – rückblickend gesehen – absolut unnötig. Ich war so überzeugt davon, dass ich im Recht bin, dass ich argumentiert und gekämpft habe wie ein Löwe. Meine letzte verbleibende Energie kurz vor dem vermeintlichen Hungertod habe ich in diesen Streit investiert.

Jetzt, mit Abstand und dem Satz von Herrn Schrödinger im Kopf, kann ich mich nur über mich wundern. Meine Überzeugung, im Recht zu sein, hat die Führung übernommen und ich bin mit wehenden Fahnen in den Kampf gezogen. Wofür? Für was wollte ich unbedingt kämpfen? Eine Entschuldigung von ihm? Wollte ich unbedingt meine Gefühle und heftige Reaktion rechtfertigen?

Für was möchtest du deine Energie einsetzen?

Was macht so ein Kampf mit mir? Ich gebe Energie in eine Situation, die das Trennende hervorhebt. Meine inneren Antennen sind auf Angriff und Verteidigung aus. Dafür ist eine Menge Kraft nötig. Im Alltag fehlt mir oft Kraft oder Energie. Und jetzt habe ich auch eine Idee, wo meine Kraft geblieben ist: unter Anderem im unnötigen Kampf ums recht haben.

Deine Sicht auf die Welt ist in Ordnung. Die Sicht der anderen auf die Welt ist in Ordnung. Beides ist nicht die Wahrheit. Denn es gibt keine absolute Wahrheit. Warum also kämpfen?

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Karate, Sonnenuntergang, Kampf © klimkin (pixabay CC-0)

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