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Ist der Biss weg?

Lesezeit: 3 Minuten

Nicht im Außen

Wer mich schon länger liest oder kennt, hat bestimmt schon oft Sätze gehört wie „im Moment ist gerade so viel zu tun“ oder „ich habe so viel Stress“. Diese Sätze spiegeln, was in mir stets präsent war. Und das ist nur in wenigen Fällen tatsächlich die Situation im Außen gewesen, die so viel Arbeit oder Stress bedeutet hat. Sehr, sehr viel öfter kam dies aus mir selber heraus. Ich habe mir mein ganzes Leben selbst unglaublich Druck gemacht.

Glaubenssätze

Ich musste leisten, ich musste möglichst perfekt sein. Über das Thema Glaubenssätze habe ich hier schon oft geschrieben. Das waren Antreiber für mich, die mich immer wieder an meine Grenze gebracht haben. Und manchmal darüber hinaus. Als Glaubenssatz formuliert hat mich mein Denken gesteuert mit Sätzen wie „ich bin nicht gut genug“ oder „nur wenn ich leiste, steht es mir zu, anerkannt oder geliebt zu werden“.

Aber mir ging es damit nicht gut. Nie hat es gereicht, was ich gemacht habe. Es musste immer noch mehr sein. Es gab Zeiten, da habe ich meinen Besuch vor der Tür warten lassen: Ich musste im Büro noch dringend die Welt retten, weil ich E-Mails lesen musste! Heute kann ich das nicht mehr verstehen. Und ich bin sehr, sehr dankbar, dass sich hier so viel verändert hat.

Ein Weg

Es war ein Weg, dass diese Glaubenssätze heute viel weniger aktiv in mir sind. Es hat Jahre gedauert, loszulassen und zu verändern. Heute weiß ich nicht nur, sondern ich spüre und lebe und erlebe: Ich muss nicht leisten, um ein wertvoller Mensch zu sein. Und darüber bin ich sehr dankbar.

Zwei Seiten

Doch alles, jede Medaille hat zwei Seiten. Als ich angefangen habe, mit Glaubenssätzen zu arbeiten, kam immer wieder auch die Frage: Was ist das Gute daran? Auch im Coaching ist dies eine wichtige und hilfreiche Frage. Ich habe mich sehr schwergetan, zu erkennen, was das Gute an diesen Glaubenssätzen sein soll. Ich hatte Druck, ich hatte Stress. Und ich war nicht frei in meinem Tun.

Das Gute

Heute sehe ich jedoch genau, was das Gute ist. Es fühlt sich jetzt, ohne den Glaubenssatz, nämlich so an, als hätte ich den Biss verloren. Als wäre ich mit Mittelmäßigem zufrieden. Nein, nicht „als wäre ich zufrieden“, sondern ich bin zufrieden. Und in 90 % der Fälle ist das auch völlig in Ordnung. Denn es reicht. Ich reiche.

Es tut weh

Und doch tut es gleichzeitig weh, denn es erscheint mir so, dass ich für Mut zu Stille den Biss verloren habe. Einige erinnern sich vielleicht noch, dass ich im Herbst überlegt habe, mit Mut zu Stille aufzuhören. Eure Rückmeldungen, dass ich es locker angehen soll, dass ich mir keinen Druck machen soll, haben mir sehr gutgetan. Genau das habe ich gemacht. Mein schlechtes Gewissen war weg, wenn ich Sonntagabend keinen Artikel geschrieben habe.

Kein schlechtes Gewissen

Dieser Artikel hier ist erst der dritte frische Artikel in 2014. Und ich hatte kein schlechtes Gewissen. Dabei stimmt das nicht ganz, es hat mir schon gefehlt. Ich habe an mir gezweifelt. Warum war mir meine Seite nicht mehr wichtig? Und ich habe Sorge, dass meine Motivation weg ist, dass meine Inspiration verloren ist

Zu kurz

Doch das springt zu kurz. Meine Inspiration waren meist Gedankenfetzen, angeregt durch etwas, das ich gelesen habe, ein Lied, das ich gehört habe, oder etwas, das ich gesehen habe. Aus diesen kleinen Impulsen sind meine Artikel entstanden. Früher habe ich diese Gedanken sofort aufgeschrieben. Weil es mir wichtig war. Und ich habe mich sonntagabends hingesetzt, auch ohne Idee und ohne Inspiration, und ich habe mir den Artikel erarbeitet.

Solange der Glaubenssatz „aktiv“ war, hat ein Feuer in mir gebrannt. Und dieses Feuer hat mich manchmal fast verbrannt, weil ich über meine Grenzen gegangen bin. Ich habe im Job so oft, so viel und lang gearbeitet. Ich habe gelitten und aus schlechtem Gewissen immer weiter gemacht, weil es noch nicht gut genug war. Und nun merke ich: Mir fehlt das Feuer, dranzubleiben und mit Mut zur Stille meinen Herzens-Traum am Leben zu halten.

Pendel

Aber das Leben ist wie ein Pendel. Erst schwingt es in die eine Richtung. Manchmal ganz weit, es überspannt den Schwung fast. Und danach schwingt es in die andere Richtung zurück. Ich glaube, mein Pendel ist gerade sehr weit in der anderen Richtung. Ich spüre, ich darf dem Leben vertrauen, dass das Pendel wieder zurückschwingen wird.

Und wenn es zurückschwingt, wird es wohl nicht mehr in den Druck und in den Zwang schwingen „ich muss leisten, um geliebt zu werden“. Aber ich hoffe, dass ich dem, was mir wichtig ist, wieder mehr Raum gebe. Und dazu gehört eine gewisse Disziplin. Und wenn es nur die Disziplin ist, meine Ideen sofort aufzuschreiben. Denn die Idee und Inspiration ist nicht weg. Ich halte sie nur nicht sofort fest.

Aus der Balance

Mir ist klar geworden, was das Gute meiner negativ-erlebten Glaubenssätze war. Und ich spüre, dass ich mich wieder öffne. Ich darf diszipliniert sein. Aber ich muss es nicht.

Kennst du das auch? Hast auch du schon erlebt, dass du etwas hinter dir lassen konntest, was dich belastet hat und dann ist das Pendel so weit in die andere Richtung geschwungen, dass du aus der Balance warst?

Denn so fühlt es sich ein bisschen an. Ich möchte nicht mehr unter dem selbst erzeugten Druck leiden, aber ich möchte Mut zur Stille weiterführen. Und ich bin zuversichtlich, dass beides gleichzeitig sein kann, und ich so in eine neue Balance komme.

Das Gute daran

Alles hat zwei Seiten. Und es gilt immer wieder das Gute daran zu entdecken.

Was stört dich in deinem Leben gerade besonders? Was ärgert dich und belastet dich? Und dann versuche, das Gute darin zu erkennen.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Berge, Nebel, Natur @ yamabon (pixabay CC-0)

2 Kommentare

  1. Katja

    Hallo liebe Anne, ich folge Dir zwar noch nicht sooo lange, aber tatsächlich habe ich schon öfter geschaut, ob Du vielleicht wieder etwas geschrieben hast. 😉

    Ich habe in Deinen Artikeln oft bemerkt, dass ich mich in Deinen Aussagen oft selbst wiedergefunden habe. So geht es mir auch mit Deinem heutigen Artikel.

    Ich finde es manchmal sehr schwierig etwas Gutes in Situationen zu entdecken, dich mich doch erstmal nur schmerzen, Druck ausüben, Selbstzweifel wecken. Erfahren habe ich gerade in den letzten Jahren, dass es manchmal nur etwas länger dauert. Irgendwann kommen dann Erkenntnisse und ich kann sie mit dem Erlebten in Verbindung setzen. Das schenkt mir ein angenehmes Gefühl.
    Manchmal fehlt mir die Geduld, aber auch das wird besser.

    Also, weitermachen und achtsam sein für das Erleben und Lernen.

    Herzliche Grüße,
    Katja

    • Anne Poger

      Liebe Katja,
      danke für deine Worte. Ich freue mich sehr, dass du dich in dem Text wiedergefunden hast und das hier teilst. Geduld fehlt mir oft und deswegen berühren deine Worte mich. Es stimmt, ich muss nicht immer alles sofort verstehen, sofort ändern. Du bringst es auf den Punkt: Weitermachen und achtsam sein! Danke dir.
      Alles Liebe
      Anne

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