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No Bad Days!

Lesezeit: 3 Minuten

Keine schlechten Tage

Als wir heute mit den Fahrrädern unterwegs waren, kam uns bei einer Fußgängerampel eine alte Dame entgegen. Ich schätze, sie war über 70 Jahre alt. Sie trug einen fliederfarbenen Kapuzenpullover mit der Aufschrift „No bad days“, übersetzt heißt das „keine schlechten Tage“.

Die Begegnung ließ mich lächeln. Was für ein cooles Outfit für eine ältere Dame. Aber passt dieses Statement überhaupt?

Ein langes Leben

Mit ihren 70+ Jahren hat diese Dame sicherlich nicht nur gute Tage erlebt. Sie hat sich in ihrem Leben bestimmt oft Sorgen gemacht. Vielleicht hat sie Kinder, hat an ihren Betten gesessen, wenn diese krank waren. Hat sie am zweiten Schultag alleine in die große Welt losgeschickt (am ersten Schultag gehen die Eltern ja meistens mit). Es könnte sein, dass sie in der Pubertät der Kinder erlebt hat, dass sie immer mehr eigene Wege gehen. Vielleicht waren da Gedanken, ob die Kinder auf die schiefe Bahn geraten.

In einem Leben über mehr als sieben Jahrzehnte ist es wahrscheinlich, dass Menschen in ihrem Umfeld schwer krank geworden sind. Vielleicht musste sie sich von Freunden oder sogar Geschwistern schon verabschieden, weil diese gestorben sind. Ihre Eltern leben wahrscheinlich nicht mehr oder wenn doch, sind sie sicher sehr alt und sie erlebt, wie diese sich von kraftvollen Menschen, die mitten im Leben stehen, verändern hin zu Greisen, die Hilfe brauchen und immer weniger können.

Was geschieht

Ich weiß gar nichts über diese Frau an der Ampel. Alles, was ich oben geschrieben habe, habe ich vermutet. Aber in einem 70-jährigen Leben, wird es immer auch schwere Zeiten gegeben haben. No bad days stimmt also eigentlich gar nicht. Oder doch?

Hinter dem Satz „No bad days“ steht für mich nicht die Aussage, dass ihr im Leben nie etwas Schlimmes passiert ist. Stattdessen lässt es mich vermuten, wie sie dem begegnet, was ihr geschieht.

Wie reagiere ich

Ich kann jetzt noch 100 Vermutungen anstellen, warum die Dame dieses Hoodie trug. Viel wichtiger ist mir jedoch, welchen Impuls ich dadurch bekommen habe. Viel zu oft jammere ich (noch) darüber, was gerade nicht so gut läuft. Eigentlich wollten wir über den Brückentag wegfahren, waren aber Freitag und Samstag beide so angeschlagen, dass wir uns dagegen entschieden haben. Na klar bin ich enttäuscht und auch ein kleines bisschen traurig, dass wir nicht weggefahren sind. Die Frage ist jetzt: Wie gehe ich damit um?

Nicht lamentieren

Von all dem Blöden und Schweren, das im Leben geschehen kann, ist ein verpatztes langes Wochenende sicher kein Grund den Kopf hängen zu lassen. Aber an dem kleinen Beispiel merke ich mal wieder, dass mein Glas gerade eher halb leer ist. Nach dem Motto „No bad days“ gilt es, nicht lang zu lamentieren, sondern ins tun zu kommen und aus den freien Tagen eine tolle Zeit zu machen.

Schwere Themen

Bei so einem einfachen Thema mag das leicht erscheinen. Ist es auch. Ganz anders sieht es aus, wenn ich richtig Scheiße am Fuß habe. Wie sieht es aus, wenn jemand schwer krank ist, der mir wichtig ist, oder wenn eine Beziehung in die Brüche geht? Die schweren Themen kann ich mit „No bad days“ nicht abschütteln. Ich bin keine Freundin von Affirmationen. Wenn es gerade scheiße läuft, wird es nicht besser, wenn ich vor dem Spiegel stehe und mir ins Gesicht sage „dein Leben ist ein Geschenk, du muss es nur annehmen“. Danke, manche Geschenke kann das Leben gerne behalten.

Die Chance

Dennoch finde ich den Satz „No bad days“ auch für schwere Zeiten hilfreich. Denn in jedem Tag schlummert die Chance auf kleine Momente des Glücks. Unterwegs mit den Fahrrädern haben wir heute viele Menschen getroffen. Die meisten haben sich gefreut, wenn wir geklingelt haben, damit sie uns kommen hören und wir uns dann bedankt haben, dass sie z.B. ihren Hund zu sich gerufen haben. Ein Herr sagte „Vielen Dank euch, dass ihr geklingelt habt. So konnten wir euch kommen hören.“ Oder die Frau, die mir entgegen kam und die ganz herzlich zurück lächelte, als ich sie anlächelte.

Verbunden

Lassen Treffen dieser Art meinen Schmerz oder mein momentanes Leid verschwinden? Nein, die Sorge um einen geliebten Menschen, dem es schlecht geht, bleibt. Aber in der Begegnung komme ich in Kontakt. Ich sehe Menschen auf Augenhöhe und bin für einige Sekunden verbunden. Und tief im Inneren nährt das die Gewissheit: Alles ist verbunden. Ich bin nicht alleine in meinem Leid und Schmerz.

Und indem ich die Verbundenheit mit anderen Menschen lebendig werden lasse, spüre ich für einige Momente diese Lebendigkeit in mir. Und ein Tag, an dem ich meine Lebendigkeit – den Kern des Lebens – gespürt habe, kann kein schlechter Tag mehr sein.

No bad days!

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Bäume, Sonne, Moos © jplenio (pixabay CC-0)

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