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Wenn die Worte fehlen

Über einem Buch reichen sich zwei Menschen ihre Hände.
Lesezeit: 3 Minuten

So eine Zeit

Es gibt Situationen im Leben, da scheinen mir die Worte zu fehlen. Im Moment ist wieder so eine Zeit. Es herrscht ein Krieg in Europa, den ich vor einigen Wochen, ja Tagen nicht für möglich gehalten hätte. Was kann ich heute in meinem Blog dazu schreiben? Oder sollte ich das Thema vermeiden, da die richtigen Worte nicht da zu sein scheinen?

Was mich bewegt

Meine Texte handeln jedoch immer davon, was mich bewegt. Den Krieg auszublenden, fühlt sich für mich daher nicht stimmig an. Ja, die Herausforderungen des Lebens, die nichts mit der Situation in der Ukraine zu tun haben, gehen weiter. Meine Glaubenssätze und Muster zeigen sich und lassen mich in Löcher fallen. Viel zu dünne Nerven führen zu überreizten Reaktionen auf Meinungsverschiedenheiten im Alltag. Und auch hier kann ich nicht abschütteln, dass die Welt aus den Fugen zu sein scheint.

Bloß kein Fehler

Aber Worte fehlen mir nicht nur angesichts eine Krieges, den ich nicht verstehen will. Auch in vielen zwischenmenschlichen Momenten fehlen mir manchmal die Worte. Eine Freundin erzählt mir, dass ihr Vater nach einer gar nicht so extrem scheinenden Auseinandersetzung nicht mehr mit ihr spricht. Der Ehepartner einer Freundin ist an Krebs erkrankt. Ein Mensch stirbt. Welche Worte des Mitgefühls können helfen?

Schon oft hatte ich in diesen Situationen den Impuls: Bevor ich das Falsche sage, sage ich lieber gar nichts. Nur nicht die Sache noch schlimmer machen. Ich möchte mein Gegenüber nicht erneut auf die schwierige Situation aufmerksam machen, wenn er oder sie vielleicht gerade zum Glück nicht daran gedacht hat. Und wie soll ich reagieren, wenn es tatsächlich sehr schmerzhaft und schwer ist, ich aber gar nichts tun kann?

Um wen geht es?

All diese Gedanken sind menschlich und nachvollziehbar. Doch sie sind vor allem eines: Sie sind auf mich bezogen. Sie verpassen die Chance, in die Empathie, das Mitfühlen mit dem/der anderen zu gehen. Und das ist eine ganz große und wichtige Menschliche Eigenschaft. Nur wenn ich bereit bin, mich auf den Schmerz oder die Angst meines Gegenübers einzulassen, kann ich in einen Austausch auf Herzensebene gehen.

Und genau das ist es, was mich für einen Moment sprachlos werden lässt. Ich habe Angst vor dem Schmerz der anderen. Stattdessen schaue ich nur, was es mit mir macht. Denn der Streit, den jemand anderes erlebt und belastet, erinnert mich vielleicht an eine Auseinandersetzung, in der auch ich mit Schweigen reagiert habe. Die Sorge um den Partner/die Partnerin, die schwer erkrankt ist, lässt meine eigene Sorge um die Menschen, die mir wichtig sind, hochkommen.

Mitgefühl

Diese Ängste und Sorgen dürfen auch alle da sein. Versteh mich nicht falsch, eigene Gefühle nicht zuzulassen, ist meistens keine gute Idee. Die Gefühle gehen davon nämlich nicht weg, sondern es gelingt mir nur, sie für eine Zeit zu verstecken. Aber von Innen wirken sie weiter.

Vielleicht kann ich stattdessen der Situation anders begegnen. Statt darauf zu schauen, wovor ich Angst habe, kann ich mich mit der Herzensenergie verbinden und hinspüren, was mein Gegenüber vielleicht gerade gebrauchen kann. Hier gibt es kein Patentrezept. Aber ich bin überzeugt: wenn es mir gelingt ins Mitgefühl zu gehen, kommen die Worte, die der Freundin vielleicht gut tun. Vielleicht sind es auch keine Worte, die gerade nötig sind, sondern Taten. Eine Umarmung, ein Zeichen, dass ich an mein Gegenüber denke, oder handfeste Unterstützung, wenn es gewollt ist.

Und statt in der aktuellen Situation mich darin zu verlieren, welche potenziellen theoretischen Konsequenzen mich treffen könnten, komme ich lieber ins Tun, schaue meine Winterkleidung, Decken und Kissen durch und stecke es in die Waschmaschine, um es einem Hilfstransport mitzugeben. Denn manchmal ist Mitgefühl ganz pragmatisch.

Ins Tun kommen

Und eines dürfen wir nicht vergessen. In der nehmenden Richtung verfallen wir oft in eine Starre. Die nehmende Richtung bedeutet momentan, z.B. auch sich in den Bildern und Berichten zu verlieren. Ich nehme die Informationen auf, aber ich bin passiv. Und Passivität führt zu Blockaden.

Wir Menschen sind aufs Tun ausgerichtet. Statt mich also in den Bildern und der Suche nach Antworten in noch mehr Informationen zu verlieren, ist der bessere Weg immer ins Tun zu kommen. Und vielleicht, nein sogar ganz gewiss, finde ich so meine Antwort. Das kann eine liebe Karte an den Freund/die Freundin sein, die gerade eine schwere Zeit hat. Oder der leckere Kakao, der per Post ins Haus kommt, damit die Seele für einen Moment mit einem heißen Becher Schokolade durchatmen kann.

Bleibe nicht stumm

Wenn dir die Worte fehlen, dann bleibe nicht stumm. Bleibe nicht tatenlos. Auch wenn vielleicht dein Mund nicht weiß, was er sagen soll, frage dein Herz. Vielleicht findest du dort die Worte. Und wenn keine Worte dort sind, dann schaue auf das, was du tun kannst. In der gebenden Richtung lösen sich die Blockaden. Im Tun löst sich die Starre. Und auch kleine Taten können Großes verändern. Unterschätze nicht, welchen Trost, deine Worte und Taten geben können.

Deine Worte können nur von dir gesagt werden.
Deine Taten können nur von dir getan werden.

Sagst du sie nicht, werden sie nie gesprochen. Tust du es nicht, wird es nie getan.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Hände halten, Worte, Begegnen @ Godsgirl_madi (pixabay CC-0)

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