Die schönste Zeit
Es ist Urlaubszeit. Freunde, Familie und Nachbarn sind unterwegs, kommen gerade zurück oder der Urlaub geht bald los. Endlich frei. Endlich keine Schule, nicht arbeiten. Urlaub ist für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres.
Aber nur wenige Woche im Jahr sind Urlaub. Die meiste Zeit ist eben kein Urlaub. Warum fokussieren wir uns so sehr auf die wenigen Tage im Jahr, die wir außerhalb des Alltags verbringen?
Erholung und Auftanken
Die Urlaubszeit ist für viele Menschen und auch für mich, Zeit mich zu erholen. Ich kann so lange schlafen, wie ich möchte. Ich habe keine Termine, keine Verpflichtungen.
Gerade wenn ich sehr erschöpft bin, sehne ich den Urlaub und die Erholung förmlich herbei. Erholung ist aber nicht nur schlafen und ausruhen. Wenn ich zu wenig schlafe und mich zu wenig ausruhe, fängt es natürlich mit der körperlichen Erholung an. Auftanken und echte Erholung ist aber weit mehr als das.
Die Geschichte von der Säge
Ich beginne mit der Geschichte des Waldarbeiters, der sein Pensum an Bäumen, die er mit der Säge fällen soll, unbedingt schaffen will. Am ersten Tag gelingt es ihm gut. Er ist stolz und nimmt sich für den nächsten Tag vor, noch mehr Bäume zu schaffen. Er fängt früh an und legt sich richtig ins Zeug. Aber er schafft nur die gleiche Anzahl, wie am Tag zuvor. Verärgert von seinem vermeintlichen Rückschlag ist er am nächsten Morgen noch früher da und sägt, was das Zeug hält.
Trotz gesteigerter Anstrengung schafft er am dritten Tag sogar weniger Bäume als an den Tagen zu vor. Für den kommenden Tag nimmt er sich vor, noch früher anzufangen und die Mittagspause zu verkürzen, damit er alles schafft. An diesem Tag kommt ein Wanderer vorbei und fragt ihn, warum er so verzweifelt aussieht. Der Holzfäller erzählt von seinem Problem und der Wanderer sagt: „Warum machen Sie dann nicht ein paar Minuten Pause und schärfen die Säge? Ich bin sicher, dass es dann viel schneller ginge.“
Die Säge schärfen
Diese Geschichte habe ich das erste Mal während des Seminars „Die sieben Wege zur Effektivität“ gehört. In der Zeit waren Effektivität und Effizienz für mich stark im Fokus. Ich wollte lernen, wie ich die viele, viele Arbeit besser und schneller machen kann. Und die Überraschung war groß: Es ist verdammt wichtig, sich immer wieder zu erholen.
Dein Körper
Mein erster Gedanke war und ist immer: mehr schlafen, endlich richtig ausruhen. Wenn ich an Erholung denke, stelle ich meistens die physische Erholung in den Mittelpunkt. Aber das heißt auch, die physische Dimension ernst zu nehmen: Es geht nicht nur um Schlaf, sondern auch um Essen, Trinken und Bewegung. Und das ohne Druck, ohne Stress, ohne große Ziele. Nicht wie der Manager, der nach einem Herzinfarkt einen Ausgleich für den Druck im Job sucht und anfängt Marathon zu laufen. Und statt im Job Druck zu haben, läuft er nun seiner nächsten Bestzeit und dem nächsten Wettkampf hinterher. Er hat nur das Laufrad seines Käfigs gewechselt.
Um physisch die „Säge zu schärfen“ braucht es also mehr als Ausschlafen und Urlaub. Mit einem Zitat gesagt, heißt es: „Man muss dem Körper Gutes tun, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“
Deine Beziehungen
Aber die Säge nur körperlich zu schärfen, springt zu kurz. Ein erholter Körper reicht nicht. Denn es ist wichtig, auch emotional aufzutanken. Wir sind durch und durch soziale Wesen. In Verbindung mit anderen Menschen erfahren wir uns. Und in Verbindung füllen wir den inneren Speicher nach Nähe und Verbundenheit auf. Dafür müssen wir immer wieder in Kontakt mit Menschen gehen. Uns öffnen, und austauschen. So bekommst du neue Impulse, neue Blickwinkel und Inspiration. Und die Beziehungen in deinem Leben werden gestärkt.
Dein Verstand
Wenn ich an Auftanken denke, denke ich natürlich irgendwie auch immer an Auto fahren. Ohne Sprit oder Strom fährt das Auto nicht. Und genau so ist es mit dem Auftanken in der mentalen Dimension. Auch dein Verstand braucht regelmäßig neue Impulse. Um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen: „Stillstand ist der Tod – geh voran, bleibt alles anders.“ Dieser Satz ist aus dem Lied „Bleibt alles anders.“ Und genauso gilt es auch für dein Denken, deinen Verstand. Wenn du stehen bleibst, rostest du ein.
Wie stellst du sicher, dass du immer wieder Inspirationen hast, dass auch hier kein Stillstand geschieht? Was möchtest du gerne lernen? Was möchtest du Neues erleben? Welches Buch möchtest du lesen? Welchen Vortrag möchtest du hören? Wie möchtest du deinen Blick weiten?
Deine Spiritualität
Was mich in diesem Seminar damals vielleicht am meisten beeindruckt hat, war die vierte Dimension: die spirituelle Dimension. Wie kann ich meine Säge im Spirituellen schärfen? Ich bin überzeugt, jeder Mensch hat eine Form von Spiritualität. Wir verlernen es nur mit der Zeit. Vielen Menschen begegnet ihrer Spiritualität in der Frage nach dem Warum? Die Sinnfrage spielt bei vielen Menschen, vielleicht auch bei dir, irgendwann im Leben eine Rolle. Warum bin ich hier in diesem Leben? Was ist meine Aufgabe? Was möchte ich hinterlassen?
Beginnen kannst du diese Reise, z.B. indem du dir über deine eigenen Werte bewusst bist. Was ist dir wirklich wichtig im Leben? Das einmal aufzuschreiben, gibt viel Klarheit im Leben. Und sich dann regelmäßig damit wieder zu verbinden. Lebe ich das, was mir wichtig ist eigentlich?
Spiritualität kannst du z. B. erleben in der Meditation oder beim Yoga. Manche Menschen leben ihre Spiritualität auch in Gottesdiensten oder im Gebet. Ebenso kannst du sie in der Natur oder beim Tanzen erleben. Die vielleicht reinste Form der Spiritualität ist, etwas für und mit anderen Menschen zu tun. Was kannst du anderen Menschen Gutes tun? Wen kannst du unterstützen? Für wen möchtest du dich einsetzen?
Auftanken ist mehr
Auftanken ist also viel mehr als Füße hoch und auf der Couch liegen. Auftanken hat so viele Dimensionen. Gerade in Phasen, in denen ich stark gefordert bin, würde ich mich jedoch am liebsten nur auf die physische Dimension konzentrieren. Und manchmal ist das vielleicht auch der Start ins Auftanken. Aber es ist wichtig, nicht dort stehen zu bleiben.
Die Wege des Auftankens scheinen Kraft zu kosten. Ich muss mit Menschen in Kontakt gehen, habe Verabredungen oder „Termine“. Oder ich gebe Energie in ein neues Thema, lese ein Buch, arbeite mich hinein. Vielleicht beginne ich eine neue Routine und mache jeden morgen 20 Minuten Yoga. Das alles braucht Zeit und Energie.
Vergiss nicht
Aber ich darf eines nicht vergessen: Die Energie, die ich ins Leben gebe, kommt immer zurück! Meine Energie, die ich z. B. in das Vorbereiten und Durchführen meiner Meditationsabende hineinstecke, bekomme ich an dem Abend voll und ganz zurück. Der gemeinsame Abend gelebter Spiritualität lässt mich immer wieder erfahren, dass meine Energie nicht verloren geht. Ich gebe die Energie in die Welt und verändere mit ihr die Welt ein kleines bisschen. Und diese Energie kommt verwandelt zurück zu mir und erfüllt mich.
Und genauso ist es mit den anderen oben beschriebenen Dimensionen. Ja, im ersten Moment scheint es Kraft zu kosten, während ich doch auftanken will. Aber ein rein körperliches Auftanken füllt deine Speicher der Verbundenheit, der Inspiration und der Spiritualität nicht. Und oft geht Erschöpfung damit einher, dass nicht nur der Körper müde ist, sondern genau diese Speicher leer sind.
Ein ganzer Mensch
Um dich als ganzen Mensch zu fühlen, gilt es, dich als Mensch ganz einzubringen. Sei Teil des Lebens und lebe deine Lebendigkeit. Achte gut auf dich, aber ziehe dich nicht vom Leben zurück.
Sei gewiss: Die Energie, die du ins Leben gibst, kommt verwandelt zu dir zurück – und verwandelt dich in einen lebendigen Menschen.
Welcher Speicher ist bei dir leer?
In welchem Bereich möchtest du auftanken?
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