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Bist du bereit? Gedanken zum Ende des Lebens

Ein alter Mann mit Stock steigt eine Treppe in den Wolken nach oben - ein Symbolbild für den Weg am Ende des Lebens.
Lesezeit: 4 Minuten

Du weißt nicht, wann

Du weißt nicht, wann es soweit ist. Aber du kannst dir sicher sein: Eines Tages wirst du sterben. Egal, ob du 25, 45 oder 75 Jahre alt bist. Der Tag, an dem du das Leben in diesem Körper verlassen wirst, wird kommen. Und du weiß nicht, ob es morgen, in 10 Jahren, in 20 Jahren oder wann auch immer sein wird.

Auch mein Leben wird enden

Die meiste Zeit meines Lebens denke ich nicht an meinen Tod. Doch bin ich durch Impulse aus dem Außen schon mehrfach mit meiner eigenen Endlichkeit konfrontiert worden. Ich schätze mich sehr glücklich, dass es keine schwere Krankheit war, die mich betroffen hat. Aber die Krankheit von Menschen, die mir wichtig sind, hat mir die Zerbrechlichkeit dieses Lebens sehr deutlich gemacht. Und auch meinen Vater nun so alt und hilflos zu sehen, erinnert mich daran, dass auch mein Leben enden wird.

Die Frage

Als ich letzte Woche bei meinen Eltern zu Besuch war, kam mir die Frage: „Bist du bereit? Bist du im Reinen mit dir und den Menschen, die Teil deines Lebens sind oder waren? Wärst du bereit zu gehen, wenn du so wie dein Vater auf den letzten Metern seines Lebens angekommen bist?“

Glücklicherweise weiß ich nicht, wann der Tag kommt, dass ich mich auf die letzte Wegstrecke mache. Aber in dem Moment am Bett meines Vaters, als ich seine Hausschuhe vor dem Bett stehen sah und ich wusste, er wird sie nie wieder anziehen, brannte diese Frage in mir.

Kann ich je bereit sein?

Ohne wirklich in der Situation zu sein, kann ich die Frage gar nicht beantworten. Ob ich wirklich bereit bin, kann ich erst in dem Moment sagen. Ich vermute, so wirklich bereit ist niemand. Es gibt doch immer noch so viel zu erleben, so viel zu lernen, so viel zu fühlen und vielleicht auch noch so viele Worte, die ausgesprochen werden wollen.

Worte…

Aber ich kann einiges vorbereiten. Gerade mit den Worten, die noch ausgesprochen werden wollen, brauche ich nicht zu warten. Es gibt Worte, die möchte ich nicht unausgesprochen mitnehmen in das nächste große Abenteuer.

Worte der Entschuldigung

In meinem Leben habe ich viele Menschen verletzt. Das war nicht absichtlich, ist aber dennoch geschehen. Dort, wo Worte noch unausgesprochen sind, ist ein loses Ende im Knäuel meines Lebens. In manchen Beziehungen fehlt noch ein Schlusswort. Für manche Situationen der Vergangenheit gibt es noch Worte in mir, die noch nicht ausgesprochen sind, und es so zu einem losen Faden machen. Diese Worte gilt es auszusprechen, bevor meine letzte Wegstrecke anbricht.

Worte der Vergebung

Wenn es jemanden gibt, mit dem ich noch nicht im Reinen bin, möchte ich die Worte der Vergebung vorher ausgesprochen haben. Manchmal ist dieser Mensch nicht mehr da. Sei es, weil er oder sie vorausgegangen ist oder weil er oder sie nicht mehr Teil meines Lebens ist. Worte der Vergebung brauchen nicht immer nur von Angesicht zu Angesicht ausgesprochen zu werden. Vergebung ist etwas, das in mir und mit mir geschieht. Daher reicht es, wenn die Worte aus meinem Herzen ausgesprochen sind.

Worte der Liebe

Und es gibt die Worte der Liebe, von denen ich keines mit zurück auf die andere Seite nehmen möchte. Alle diese Worte möchte ich den Menschen, die mir wichtig sind, sagen, bevor dieses Leben zu Ende geht: Ich liebe dich, du bist mir wichtig, du bist wertvoll, schön, dass es dich gibt. Diese Worte kann ich nicht oft genug sagen, und doch fällt es mir manchmal so schwer.

… und Taten

Neben den Worten, die ich nur in diesem Leben aussprechen kann, gibt es auch Dinge, die ich nur in diesem Körper in diesem Leben tun kann. Nur jetzt kann ich immer wieder Neues erleben. Nur in diesem Leben kann ich all die Ideen umsetzen und meine Kreativität ausleben. Dafür bin ich in dieses Leben gekommen, um das auszuleben, was in mir ist.

Ich kann mir vorstellen, nein ich bin mir sicher, dass viele Menschen erst am Ende merken, wie schmerzhaft das ist, was sie nicht getan haben. All die Abenteuer, die sie nicht gewagt haben. Die vielen Ideen, die sie nicht umgesetzt haben,

  • weil zu wenig Zeit schien,
  • weil sie es vermeintlich nicht gut genug konnten,
  • weil das Leben mit dem Alltag angefüllt war.

Bin ich bereit?

Nein, ich bin nicht bereit. Ich habe noch so viele Ideen, möchte noch so viel lernen und möchte so vieles noch erschaffen und erleben. Und ich hoffe und wünsche mir, dass dies auch am Tage meines Todes noch so ist.

Doch von den losen Enden im Knäuel meines Lebens habe ich schon so einige aufgewickelt. Mit vielen Situationen meiner Vergangenheit bin ich im Reinen. Ich habe Worte der Entschuldigung, der Vergebung und der Liebe ausgesprochen. Aber es bleibt immer noch etwas zu tun. Das endet nie. Denn ich bin ein Mensch.

Ein erfülltes Leben

Auch von meinen Ideen habe ich schon einige umgesetzt. Mit mut-zur-stille.de lebe ich einen Traum, der mich schon viele Jahre zuvor begleitet hatte. Es ist nicht immer leicht, aber es erfüllt mich mit einer tiefen Freude.

Und ich weiß: Am Ende möchte ich auf ein erfülltes Leben zurückschauen können. Ich möchte mein Leben leben und nicht nur darauf warten, dass Leben geschieht. Und dafür muss ich es wagen, mich zu zeigen.

Schau in deinen Rucksack

Es ist nötig, dass ich das, was ich in dieses Leben mitgebracht habe, auslebe. Jeder Mensch hat in dieses Leben alle Fähigkeiten und Potenziale mitgebracht, die er braucht, um seine Ideen und Träume umzusetzen. Oft fehlt nur der Mut, tatsächlich den Schritt aus der Komfortzone heraus zu wagen. Viele Menschen wagen es nicht, das auszupacken, was in dem Rucksack mit ihren Potenzialen steckt, den sie in dieses Leben mitgebracht habe. Und sie merken es erst am Ende des Lebens.

Wenn du ganz ehrlich zu dir bist, weißt du im inneren deines Herzens, was dein Leben erfüllt. Versteckt dahinter, was alle machen, was leicht scheint und was auf kurze Sicht angenehm ist, droht das Leben aus Wochenende, Urlaub und das Warten darauf zu bestehen. Möchtest du auf so ein Leben zurückschauen? Wärst du bereit, dieses Leben hinter dir zu lassen, wenn du es nie wirklich gelebt hast?

Jetzt

Es gibt nur einen Moment, in dem du beginnen kannst, dich bereit zu machen. Und das ist jetzt. Welcher Traum ist in deinem Herzen? Was möchtest du verändern? Was möchtest du am Ende deines Lebens nicht missen? Genau jetzt ist die Zeit dafür, den ersten Schritt in diese Richtung zu machen.

Genau jetzt ist der Moment, die losen Enden deines Lebensknäuels anzugehen. Welche Worte möchten ausgesprochen werden? Welche Situation möchtest du klären, weil du es nicht mitnehmen möchtest, auf deinen Weg auf die andere Seite?

 

Was steht jetzt bei dir an?

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Mann, Treppe, Himmel @ Tumisu (pixabay CC-0)

3 Kommentare

  1. Andreas Klimkeit

    Wir sollten immer so leben, dass der Tod uns in keinem Moment überraschen kann, und unsere Gedanken klar und friedvoll bleiben, das ist schon schwer genug. Ich lasse bei mir protestierende, und zuweilen sehr kämpferische Gedanken zu, aber die müssen stets von mir relativiert werden. Daher herrscht in mir ein steter, ambivalenter Gedanken-Prozess. Nun zurück zu meinem
    Ausgangsgedanken:
    Gehe nie im Streit mit den Menschen die du liebst, oder die dir wichtig sind, auseinander. Das ist für mich mittlerweile ein hohes Gebot geworden. Ich persönlich finde die Worte aus dem Talmud sehr hilfreich:
    Achte auf deine Gedanken, denn sie werden zu Worten!
    Achte auf deine Worte, denn sie werden zu Taten!
    Achte auf deine Taten, denn sie werden zu Gewohnheiten!
    Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter!
    Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal!
    Wir müssen daher unsere Gedanken stets justieren

    • Anne Poger

      Lieber Andreas, danke für deine Gedanken zu diesem doch oft schweren Thema. Ich mag das Zitat aus dem Talmud sehr gerne. Vielen Dank für den wunderbaren Impuls. Herzliche Grüße Anne

    • Anne Poger

      Lieber Andreas, vielen Dank für deine Worte. Ich erlebe es ähnlich. Es wäre wünschenswert, wenn es uns gelänge und gleichzeitig sind wir zu jedem Moment auch Mensch und das Leben fordert uns unterschiedlich intensiv. Immer nur klare und friedvolle Gedanken zu haben, wäre für mich ein nicht erreichbares Ziel. Die von dir zitierten Worte aus dem Talmud mag ich ebenfalls sehr. Sie haben mir in einer Zeit der Selbstfindung sehr geholfen, aus der Opfer-Rolle herauszutreten und Gestalter in meinem eigenen Leben zu werden. Danke für den Austausch. Liebe Grüße Anne

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