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Danke, dass du gefragt hast

Lesezeit: 2 Minuten

Eine Bitte

Vor einigen Tagen habe ich in Social Media über eine kurze Konversation gelesen. Eine Frau, nennen wir sie Sabine, schrieb darüber, dass es ihr nicht gut geht. Sie hat eine Kollegin gebeten, ihre Krankschreibung beim Arzt abzuholen. Die Kollegin antwortete ihr: „Kriege ich hin.“ Und was sie dann noch schrieb, hat mich tief berührt und zum Nachdenken gebracht. Ich habe beim Lesen eine Gänsehaut bekommen.

Viel schwerer

Die Kollegin antwortete Sabine: „Danke, dass du gefragt hast.“ Sabine war daraufhin total perplex und schrieb zurück: „Danke, dass du mir hilfst!?!“ Und als Antwort kam zurück: „Hey, helfen geht einfach – fragen ist viel schwerer.“

Wie oft

Wie oft habe ich schon nicht nach Hilfe gefragt? Wie oft hast du nicht gefragt,

  • obwohl du nicht mehr konntest,
  • obwohl du hättest Hilfe gebrauchen können,
  • obwohl jemand da war, den du hättest fragen können?

Einer der Glaubenssätze, die stark in mir wirken ist „ich möchte niemandem zur Last fallen“. Mit diesem inneren Glaubenssatz fällt es schwer, um Hilfe zu bitten. Niemand soll durch mich belastet sein.

Die andere Seite

Dabei kenne ich die andere Seite gut. Wenn mich jemand um Hilfe bittet, helfe ich sehr gerne. Ich erinnere mich an ein langes Gespräch mit einer Freundin, die sich innerhalb ihrer Firma intern weiterentwickeln wollte und zwei Optionen hatte. Um Klarheit zu bekommen, hat sie mich gebeten, ob wir gemeinsam darüber sprechen könnten. Wir sind um den See bei uns in der Nähe gelaufen. Wir haben alle Vor- und Nachteile abgewogen. Und durch das Aussprechen und eine zusätzliche Sicht von Außen wurde ihr eigenes inneres Bild klarer.

Ich habe mich gefreut und auch ein bisschen geehrt gefühlt, dass sie mich gebeten hat, ihr bei so etwas Wichtigem zu helfen. Diese Situation ist inzwischen sicher fünf bis sechs Jahre her. Sie ist mir spontan eingefallen, und erinnert mich, wie schön es ist, jemand anderem helfen zu dürfen.

Innere Hürde

Obwohl ich weiß, wie sich die Seite der Helfenden anfühlt, stehe ich dennoch vor dieser Hürde, jemanden um Hilfe zu bitten. In mir wirkt ein weiterer Glaubenssatz, der mich schon oft viel Kraft und Nerven gekostet hat: „Ich schaffe das ganz alleine.“ Als jüngste Tochter und Schwester war es in der Kindheit wahrscheinlich wichtig für mich, dass ich mich selber erprobe und lerne. Und das geht nur, wenn ich es alleine machen darf.

Heute

Heute bin ich kein Kind mehr. Ich muss es nicht alleine schaffen. Natürlich darf ich es alleine schaffen, keine Frage. Aber wenn es mir zu viel ist oder auch wenn ich es nicht alleine machen möchte, darf ich um Hilfe bitten.

Und diese Bitte ist nicht nur Unterstützung für mich. Sie ist auch wichtig für mein Gegenüber. Mit meiner Bitte um Hilfe zeige ich mich verletzlich. Ich zeige, dass ich nicht immer stark sein muss. Und damit ermutige ich mein Gegenüber, sich auch verletzlich zeigen zu dürfen. Ich zeige, auch du musst nicht immer stark sein. Auch du darfst um Hilfe bitten.

Drei mögliche Antworten

Und wenn ich um Hilfe bitte, heißt das nicht, dass mein Gegenüber dies in jedem Fall tun wird oder tun muss. Wer um Hilfe gebeten wird, hat immer drei Möglichkeiten der Antwort:

  1. Ja
  2. Ja, aber nicht jetzt
  3. Nein

Und das Nein ist immer eine Option. Niemand muss sich gezwungen fühlen, zu helfen. Manchmal ist die Kraft nicht da. Und ein Nein ist ein vollständiger Satz, der nicht begründet werden muss.

Wage es

Und was geschieht, wenn jemand auf meine Bitte „nein“ sagt? Dann passt es bei meinem Gegenüber nicht. Das hat nur etwas mit der Person zu tun und nicht mit mir. Vielleicht muss sie gerade vor allem für sich selber gut sorgen und meine Frage war eine wichtige Übung der Selbstfürsorge.

Wage ich es jedoch, um Hilfe zu bitten, werde ich viel öfter erleben, dass Menschen gerne helfen möchten. Es liegt in der Natur des Menschen, andere unterstützen zu wollen. Ich kann es also wagen. Wagst auch du es?

Und manchmal ist die Bitte um Hilfe, sogar ein Geschenk für mein Gegenüber. Es sagt: Ich brauche dich, du bist wichtig. Und zu diesem Geschenk passt vielleicht sogar ein Danke.

„Danke, dass du gefragt hast.“

 

Danke fürs Lesen.

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