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Die verborgene Kraft

Lesezeit: 4 Minuten

Erdrückend

Manchmal fehlt mir die Kraft. Mein Arbeitsalltag scheint zu anstrengend zu sein. Die Welt draußen scheint mich zu erdrücken. Wofür das alles? Wir steuern doch sowieso auf eine Klimakatastrophe zu, die die wenigsten Menschen wahrhaben wollen oder für die sie bereit sind, ihren persönlichen Konsum zu hinterfragen. Die politische Landschaft rückt immer weiter nach rechts und so viele Menschen scheinen damit gar kein Problem zu haben. Was kann ich schon dagegen tun?

Und selbst die schönen Dinge, wie mein Blog oder die Arbeit für die Dalmanuta Webseite, belasten mich. Wann soll ich das noch machen? Wo ist meine Inspiration geblieben? Was ist mit meiner Kraft passiert? Wo ist die Frau, die so vieles schafft?

Funktionieren

Auf der einen Seite bin ich froh, dass ich nicht mehr die Frau bin, die alles locker schafft. Denn was ich mit Kraft verwechselt habe, war eigentlich nur ein Funktionieren. Aus dem Wunsch dazuzugehören und Zuwendung zu bekommen, habe ich Leistung gebracht. So habe ich es als Kind gelernt. Für gute Noten wurde ich gelobt und bekam Aufmerksamkeit. Es wurde erwartet, dass ich mich anstrenge. Also gilt bis heute: Nur wenn ich wirklich alles gebe, habe ich es verdient, mir etwas Gutes zu gönnen. Also habe ich mich angestrengt und geleistet.

Vieles davon habe ich für mich erkannt und konnte es verwandeln. Aus dem Perfektionismus wurde ein gesünderer Anspruch, einen guten Job zu machen. Die Selbstverständlichkeit, mit der ich private Verabredungen oder Freizeit für die Arbeit aufgab, wurde seltener. Und doch fehlt mir manchmal der Biss und die Konsequenz von damals, als ich keine Gnade mit mir selber hatte.

Gnade und Güte

Heute habe ich mehr Gnade und Güte mit mir selber. Ich falle noch in die alten Verhaltensmuster und arbeite viele Stunden, um meinem inneren Anspruch gerecht zu werden. Aber es ist kein Vergleich mit früher.

Ich weiß, es ist okay, Phasen zu haben, in denen mir alles zu viel ist. Der Herbst ist für mich auch immer eine Zeit, in der mir vieles schwerer fällt. Die Dunkelheit zieht mich herunter. Und so schön die Farben des fallenden Laubes auch sind, für mich fühlt sich das Loslassen der Natur von der Kraft und Fülle des Sommers immer wie ein Abschied an, der mir schwerfällt.

Mein Kopf kann diese Phasen einordnen. Aber es fühlt sich nicht okay an und ich suche mich und meine Kraft.

Die Kraft geht nie verloren

Dabei habe ich eine Kraft, die nie verloren geht. In mir wohnt eine Macht, die größer ist als alles Leisten und Abarbeiten. Diese Kraft hat für mich verschiedene Namen.

Inspiration und Kreativität.

Gerade in den Zeiten, in denen mir alles zu viel ist, scheint meine Kreativität blockiert zu sein. Wenn mich sonst ein Lied oder ein Zitat inspiriert und mein neuer Artikel nur so aus meinen Fingern fließt, gibt es Phasen, in denen ich die Texte richtig gehend erarbeiten muss. Auch wenn dies mein 200. Artikel ist, vergesse ich immer wieder, dass die Inspiration kommt, wenn ich sie einlade.

Wenn ich mich hinsetze und anfange zu schreiben, ist es am Anfang oft schwer. Doch irgendwann kommt der Punkt, da kommt der Text ins Fließen. Die Inspiration und Kreativität, die gerade noch verborgen schien, bricht sich ihre Bahn und fließt durch meine Hände in den Text.

Verbundenheit

In den Zeiten, in denen meine Kraft abhanden gekommen zu sein scheint, fehlt mir genau das: die Verbundenheit mit mir selber und mit dem, was größer ist als ich. Ich weiß, dass die Verbundenheit immer da ist, aber ich spüre sie nicht. Und so komisch das klingt, mir hilft dann die Disziplin, die Verbundenheit wieder zu finden. Gerade wenn der Faden gerissen zu sein scheint und ich mich nicht aufraffen kann, morgens zu meditieren, ist die Disziplin mein Weg zurück dorthin.

Wenn ich dann endlich den Dreh wieder bekomme und meine Morgenroutine mit Meditation wieder aufnehme, merke ich nach ein paar Tagen, dass dieses innere Gefühl der Verbundenheit, sich wieder zeigt. Ich bin nicht von jetzt auf gleich erleuchtet und fühle mich dauerhaft mit einer höheren Macht verbunden, aber ich erlebe Momente, in denen ich spüre: Es gibt etwas, das größer ist als ich. Und ich habe Anteil daran und bin damit verbunden. Egal, wie sehr sich diese Kraft der Verbundenheit versteckt, ich finde doch immer wieder den Weg zurück.

Liebe

Die wichtigste Kraft, die in mir und jedem verborgen ist, ist jedoch die Liebe. In den Zeiten, in denen das Leben schwerer scheint und statt Leichtigkeit Schwere und Dunkelheit da sind, scheint auch diese Kraft sich vor mir zu verbergen. Doch sie ist nie wirklich verschwunden.

Manchmal zeigt sie sich in Form von Sorgen, um meine Mutter, die krank war und auch nach zwei Wochen noch immer erschöpft und angeschlagen ist. Oder sie zeigt sich in Traurigkeit, weil mein Vater nicht mehr lebt und sich nicht über selbstgebackene Plätzchen freuen wird, die ich mit Freundinnen im November backen möchte.

In den Momenten der Sorge oder Traurigkeit fühlt es sich nicht so an, dass die Kraft der Liebe mich erfüllt, verbinde ich mit ihr doch Leichtigkeit, Wärme und vielleicht ein Kribbeln. Aber diese Kraft zeigt sich auf so viele verschiedene Arten und ich darf gewiss sein: auch wenn diese Kraft sich für einige Zeit verbirgt, ist sie immer in mir.

Welche Kraft?

Welche Kraft ist in dir, verbirgt sich aber gerade? Welche verborgene Kraft fehlt dir im Moment?

Wenn du magst, dann verbinde dich für einen kurzen Moment mit der Sehnsucht nach deiner inneren Kraft, die dir gerade fehlt. Lade sie ein und wertschätze die Erinnerungen an Zeiten, in denen du diese Kraft deutlich in dir gespürt hast. Vielleicht hast du in dieser kurzen Meditation einen Impuls, wie du die verborgene Kraft einladen kannst und ihr wieder mehr Raum geben kannst?

Egal, was ist, du darfst gewiss sein: Das, was dir momentan fehlt, ist nicht weg. Auch wenn du es momentan nicht spürst, ist es in dir und Teil von dir. Deine Kreativität, die Verbundenheit und die Liebe, sind immer da. Auch wenn du es eine Zeit nicht spürst. Du darfst vertrauen.

Und wenn du magst, dann erteile dir selber die Erlaubnis, diese Kraft wieder in dein Leben einzuladen. Du bist ein kreatives Wesen, du bist immer verbunden mit allem, was lebt, und die Liebe ist immer Teil von dir.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Blatt, Ahorn, Laub © MabelAmber (pixabay CC-0)

2 Kommentare

    • Anne Poger

      Lieber Herbert, so geht es mir auch. Ich spüre die „alten Verhaltensweisen“ noch, manchmal stören sie, manchmal helfen sie. Aber auch ich bin sehr dankbar, dass ich auch die „andere Seite“ kenne. Danke für dein Statement. Liebe Grüße Anne

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