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Der Anfang macht das Ende

Vögel fliegen in einen frühen Sonnenaufgang - der Anfang des Tages.
Lesezeit: 4 Minuten

Kontroverse Inspiration

Ich finde Inspiration in Texten. Oft sind es kleine Zitate oder vermeintliche Kalendersprüche, die mich berühren und inspirieren oder zum Widerspruch anregen. Für diesen Artikel bin ich über den folgenden Satz gestolpert:

“Am Anfang braucht man Mut, um am Ende glücklich zu sein.”

Dies war wieder so ein Satz, der mich berührt und inspiriert hat. Denn er ist herrlich kontrovers.

Meine Neuanfänge

Jeder Mensch hat immer wieder zahlreiche Neuanfänge. Je jünger Menschen sind, desto häufiger sind die Neuanfänge. Zum Beginn des Lebens ist vieles neu: Kindergarten, der erste Schultag, die erste große Liebe, erste Verluste und Schmerzen und weitere Neuanfänge. Ist die Ausbildung einmal abgeschlossen, vielleicht der Lebenspartner gefunden wird es weniger mit den eigenen Neuanfängen. Dann kommen Phasen im Leben, da scheint alles geregelt zu sein, was nichts Schlechtes ist. Bei vielen Menschen wird der Drang nach neuen Wegen im Laufe des Lebens wieder größer. Oft kommt Anfang oder Mitte vierzig wieder der Wunsch nach Veränderung. So war es zumindest bei mir. Natürlich habe ich auch vorher schon viele Neuanfänge gewagt. Über einige möchte ich hier schreiben.

Neue Beziehungen

Es gehört Mut dazu, sich auf eine Beziehung mit einem Menschen einzulassen. Je nachdem, was der- oder diejenige in früheren Beziehungen erlebt hat, ist ein erneuter Beginn ein großer Schritt, für den es am Anfang Mut braucht. Oft folgt dem auch eine Zeit des glücklich seins. Als Verliebte habe ich in Beziehungen auf Wolke 7 geschwebt und war glücklich. Aber war ich auch am Ende glücklich? Nein, ganz im Gegenteil. Am Ende war ich unglücklich, dass die Beziehung zu Ende war, dass das Glück nicht geblieben ist. In meiner jetzigen Beziehung bin ich sehr glücklich. Und wir sind zum Glück noch nicht am Ende. Aber bin ich jeden Tag glücklich? In einer glücklichen Beziehung zu sein, ist nicht wie in Hollywoodfilmen oder Romanen. Nach dem Happy End, wenn ich den Traumprinzen gefunden und in meinem Fall geheiratet habe, folgt kein “sie lebten glücklich bis an Ende ihrer Tage”. Missverständnisse, Streit und Meinungsverschiedenheiten gehören zum Alltag, ebenso wie das immer wieder aufeinander zugehen.

Neue Jobs

Für mich gehörte sehr viel Mut dazu, meinen ersten Arbeitgeber nach 13 Jahren zu verlassen. In dem Moment ging es mir richtig gut. Ich habe mich in einem neuen Umfeld, mit neuen Herausforderungen erlebt und Fähigkeiten entdeckt, die ich mir vorher nicht zugetraut hatte. War ich am Ende glücklich? Nein, das Ende dort war alles andere als ein Happy End. Für den Neuanfang, der danach kam, brauchte ich viel Mut. Ich habe so vieles infrage gestellt und wollte eine echte Neuorientierung. Für den Anfang brauchte ich richtig viel Mut. Und ob es am Ende gut werden würde, konnte ich nicht wissen.

Neue Ausbildungen

Den Job aufzugeben, war eine Chance, mich beruflich neu aufzustellen. Das war mein Wunsch. Ich wollte etwas anderes machen als zuvor. Mehr Sinn und Erfüllung habe ich mir in meiner beruflichen Aufgabe gewünscht. Dafür war viel Mut nötig, den Kopf aus dem Sand zu heben und nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten. Auch die Ausbildung zur Meditations- und Reiki-Lehrerin war ein Neuanfang. Ich als Meditationslehrerin? Konnte ich das überhaupt? Wollen Menschen zu mir kommen, um berührt zu werden? Auch dafür brauchte ich viel Mut. Und konnte nicht wissen, ob es am Ende gut wird. Meine berufliche Neuorientierung, meine Arbeit als Meditationslehrerin und mein Blog Mut zur Stille erfüllen mich. Ich mache andere Erfahrungen als vorher, treffe andere Menschen und erlebe andere Blickwinkel. Bin ich deswegen ständig glücklich?

Ständig glücklich?

So berührend das Zitat oben ist, so falsch ist es gleichzeitig. Mit Mut etwas Neues zu wagen, verändert ganz viel. Etwas zu verändern, von dem ich weiß, dass ich es nicht mehr möchte wie es ist, erfordert Mut. Doch ich werde belohnt. Ich komme meiner Wahrheit näher, lebe mehr mich, lebe mehr den Menschen, der ich wirklich bin. Jedoch ist es eine Illusion, dass „alles gut wird“, dass ich dann nur noch glücklich bin. Die “wenn ich erst…, dann bin ich glücklich”-Illusion ist ein Stereotyp aus Hollywoodfilmen oder Romanen. Und lange Zeit habe ich genau so mein Leben erwartet.

Doch ich wurde immer wieder enttäuscht, denn ich war an Ende gar nicht glücklich.

Wann ist das Ende

Die Kernfrage zu dem Satz ist: Wann ist das Ende? In Hollywoodfilmen erleben wir das Ende nicht. Dann, wenn es am schönsten ist, ist der Film vorbei. Im Leben ist es jedoch nicht so. Ende ist für mich der Tag, an dem mein Leben hier in diesem Körper endet. Wenn der Deckel auf die Kiste kommt.

Werde ich bis dahin immer glücklich sein, weil ich den Mut hatte, Dinge zu verändern? Den Mut hatte, neue Wege zu gehen? Den Mut hatte, mich mehr und mehr auf meinen eigenen Weg zu machen? Ist das die Garantie auf ein glückliches Leben? Nein. So funktioniert das Leben nicht. Die Wellen des Lebens gehören dazu. Lebendigkeit besteht aus dem Auf und Ab der Gefühle: traurig und fröhlich, wütend und gütig, stark und schwach.

Kein Ende der Neuanfänge

Bis zum Ende meiner Tage werde ich hoffentlich noch so viele Neuanfänge wagen. Und ich werde immer wieder merken,

  • dass ich durch die Veränderungen wachse,
  • dass ich ein Stück mehr meine Wahrheit lebe,
  • dass ich mehr und mehr zu dem Menschen werde, der ich im Inneren bin.

Dieser Mensch ist nichts Fertiges, der mit dem Tag meiner Geburt so angelegt war. Jeder Mensch verändert sich stetig. Neue Erfahrungen führen zu Veränderungen. Das Leben selber ist Veränderung. Also mache auch ich immer wieder neue Erfahrungen. Jeden Tag habe ich die Chance mich zu verändern, meinen Blickwinkel zu verändern, meine Gedanken und Handlungen zu verändern.

Die Zeit ist kurz

Aber je länger ich mit den großen Veränderungen warte, desto kürzer ist die Zeit, die bis zum Tag mit dem Deckel auf der Kiste noch bleibt. Auch wenn es kein “und sie lebte glücklich bis an das Ende ihrer Tage gibt”, möchte ich dem so nah wie möglich kommen. Nein, ich möchte etwas Besseres. Ich möchte ein erfülltes Leben. Ich wünsche mir ein Leben, in dem ich meine Potenziale gelebt habe. Und das ist immer wieder scheiße schwer. Mich zu verändern, Neues zu lernen, ist anstrengend. Das ist nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen. Aber mit so einem Leben gewinne ich so viel. Ich bin authentisch. Ich lebe die verschiedenen Facetten, die alle in mir sein. Und ein Leben, das mich erfüllt, braucht Tiefe. Nur wenn ich die Tiefe kenne, kann ich das Glück des oben seins spüren.

Mut für den Anfang

Ja, Mut ist nötig, damit der Anfang geschieht. Und Neuanfänge und Veränderung sind immer wieder nötig im Leben. Nur so spürst du deine Lebendigkeit. Aber erwarte nicht, dass mit einer Veränderung, alles gut wird. Falle nicht auf die “wenn ich erst …, dann bin ich glücklich”-Illusion rein. Veränderung ist der Weg zu Wachstum. Und Wachstum ist der Weg zu Fülle. Aber verwechsle das nicht mit dem Happy End eines Hollywood Films. Das gibt es nicht. Und das ist gut so. Denn das, was du stattdessen bekommst, ist so viel mehr. Es ist Lebendigkeit, Tiefe und Fülle. Und auf das möchte ich schauen, wenn am Ende der Deckel auf die Kiste kommt.

Es sind also immer wieder deine Anfänge, die dich am Ende ausmachen.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Berge, Vögel, Silhouette © giani (pixabay CC-0)

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