Der Traum der Zukunft
Wenn ich erst den richtigen Mann kennengelernt habe, dann werde ich glücklich sein. Wenn ich erst einen neuen Job habe, dann werde ich weniger arbeiten. Wenn ich in einer anderen Wohnung, einem eigenen Haus lebe, dann werde ich immer Ordnung halten. Wenn… dann…
Wie oft habe ich in meinem Leben diese oder ähnliche Gedanken gehabt. Solche Sätze habe ich mir selber oder anderen erzählt. Ich habe mir meine Zukunft ausgemalt und mich darauf gefreut. Dabei habe ich nicht gemerkt, dass ich mich damit selber in die Falle gelockt hatte und das gleich in dreifacher Hinsicht.
Falle 1: Die Zukunft ist besser als das Jetzt
Indem ich mich in eine vermeintlich bessere Zukunft geträumt habe, habe ich den aktuellen Moment verlassen. Rückblickend war das wahrscheinlich genau mein Wunsch: die aktuelle Situation in meinem Leben nicht spüren, nicht aushalten zu müssen. Die Zukunft erschien verlockend, ich erträumte sie mir so vielversprechend, dass das Jetzt daneben immer blass aussah.
Erst viel später habe ich gelernt und verstanden, dass die Zukunft eine Illusion ist. Es gibt immer nur das Jetzt. Das Leben kann sich nur im Jetzt entfalten. Durch meine Flucht aus dem gegenwärtigen Moment in die Zukunft habe ich mein Jetzt verneint, ich habe mein Leben verneint. Keine erträumte Zukunft kann mir das geben, was ich durch die Flucht nach vorne verliere: den Kontakt zum Leben, zu meinem Leben.
Falle 2: Energie-Falle
Die zweite Falle, in die ich mit Sätzen wie “wenn ich erst mehr Sport mache, dann werde ich Anerkennung bekommen” getappt bin, ist die Energie-Falle. Eine Flucht aus dem Jetzt in die Zukunft ist ein Kampf gegen das, was jetzt gerade ist. Ich wehre mich gegen mein Leben. Ich laufe davor weg, was in meinem Leben gerade da ist. Kämpfen oder weglaufen kostet aber immer Kraft und Energie. Auf der Flucht verliere ich wertvolle Energie, die ich im Jetzt meistens gut gebrauchen könnte.
Das gilt übrigens auch, wenn ich mich in die Vergangenheit flüchte. Mir selber (und oft auch anderen) immer wieder die Geschichte der Vergangenheit zu erzählen, kostet Energie, so wie ich z. B. Energie brauche, um eine kalt gewordene Suppe aufzuwärmen. Mach dir das bewusst, wenn du das Gefühl hast, dir fehlt die Kraft (oder lies den Artikel “Wenn dir die Kraft fehlt”).
Falle 3: Bedingungen fürs Glücklich-Sein
Aus grammatikalischer Sicht ist ein Wenn-dann-Satz ist ein Konditionalsatz. Bei der konditionalen Satzverbindung werden zwei Sätze verbunden, bei denen ein Satz eine “Bedingung” beschreibt, unter der eine “Folge” eintreten kann.
Gestalte ich mein Zukunftsbild mit einer Wenn-dann-Konstellation, stelle ich mir selber Bedingungen zum Glücklich-Sein. Erst wenn ich etwas Bestimmtes erreicht habe, ein bestimmter Zustand eingetreten ist, darf oder kann ich glücklich sein. Solange das nicht der Fall ist, fühlt es sich für mich nicht richtig gut an. Es fehlt ja noch etwas ganz Wichtiges. Damit mache ich mir jedoch die Tür zum Glück im jetzigen Moment zu. Ich begrenze mich selber in meinem Erleben von Glück.
Das Glück liegt in den kleinen Dingen
Als ich gestern gesehen und gehört habe, wie die ersten Gänse aus dem Winterquartier zurück kamen, habe ich einen dieser Momente des kleinen Glücks erlebt. Es ging mir auch so, als ich hunderte von Schneeglöckchen habe blühen sehen oder als mir morgens beim Warten am S-Bahnhof ganz unverhofft, die Sonne ins Gesicht schien. Herbert Grönemeyer hat diesem Glück einen wundervollen Namen gegeben: Sekundenglück.
Beim Warten auf das große Glück, das bestimmt eintritt, wenn du erst dieses oder jenes erreicht hast, steckt dein Kopf im Tunnel und dir entgehen so viele Geschenke des kleinen Glücks. Das kleine Glück wartet immer nur im Jetzt auf dich. Verpasse es nicht.
Mit allem verbunden
In solchen Momenten des kleinen Glücks geht mein Herz auf und ich fühle mich mit allem verbunden. Ich spüre, dass ich Teil von etwas viel Größerem bin. Ein “All-Eins”-Gefühl durchflutet mich: Alles ist eins. Alles ist miteinander verbunden.
Wenn so ein Moment des kurzen Glücks in mein Herz kommt, ist das für mich eine spontane Kurz-Meditation. Mit offenem Herzen bin ich mit allem verbunden. Danke an Herbert Grönemeyer für die Zeile in seinem Lied, die diesen Moment beschreibt: “Und du denkst, dein Herz schwappt dir über.”
Kennst du diese Momente des kleinen Glücks? Wann ist dein Herz zuletzt einfach so übergeschwappt?
Bildnachweis für diesen Beitrag: Seifenblasen, grün, Farbenspiel © kiragrafie (pixabay CC-0)
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Oh wow, liebe Anne!
Du holst mich so sehr mit deinen Worten ab. Ich gratuliere dir zu diesem Text und dem sooooo passenden Lieb, welches du eingebaut hast.
Mein kleines-großes Glück bei diesem Lied heute Morgen im Bad zu tanzen 💃🏻
Wunderschön geschrieben❣️ Ich danke dir, liebe Anne❣️ Habe deinen Text mit auf meinen Meditationsplatz genommen und starte nun beseelt in den Tag. Im „Wenn – dann“-Modus ist man im Aussen nicht mehr bei sich. Eine sehr schöne Anregung für einen Mediabend. Der nächste Abend bei mir findet unter dem Thema Akzeptanz statt. Ich werde darüber in „Lehrer des Lebens“ schreiben. Ich wünsche dir einen schönen Tag mit vielen Glücksmomenten ….ach ja, die Gänse lassen mich auch immer Inne halten😉
Liebe Grüße Susanne