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Wenn das Leben für mich entscheidet

Eine geschlossene Tür.
Lesezeit: 4 Minuten

Der Traum, es zu beweisen

Diese Stelle wäre der Traum. Wenn das klappen würde, dann hätte ich richtig was geschafft. Dann hätte ich allen Zweiflern bewiesen, dass ich wirklich etwas kann, dass ich gut genug bin. Ich muss nur die richtige Entscheidung treffen.

Wem möchte ich etwas beweisen?

Kennst du das Gefühl, etwas beweisen zu wollen? Das Gefühl, es gibt etwas richtigzustellen, weil du ja doch ganz anders bist, als du dich von anderen gesehen fühlst?

Es spricht nichts dagegen, mich im Job richtig reinzuhängen und gute Leistung zu bringen. Das kann einer Karriere sehr dienlich sein, kann zu spannenden neuen Erfahrungen führen. Es kann dein Herz erfüllen. Die Frage ist: was treibt dich dazu an?

Die Lockmittel

Vielleicht macht sich das Gas geben im Job in einem guten Gehalt oder Firmenwagen bezahlt. Auch das Ansehen in dieser Firma zu arbeiten kann sehr angenehm sein. Oft ist es jedoch mit teilweise erheblichen Einschränkungen verbunden. Ich hatte Phasen in meinem Leben, da habe ich viele Einschränkungen in Kauf genommen, um es möglichst gutzumachen. Ich habe viele Stunden gearbeitet und sogar Gäste vor meiner Tür auf mich warten lassen, weil “ich noch nicht fertig” war. Heute bin ich traurig darüber, wie respektlos ich mich meinen Freunden gegenüber verhalten habe. Und die Frage, die ich mir heute stelle, lautet: wem möchte ich etwas beweisen?

Zweifel und Glaubenssätze

Es fühlt sich für mich so an, dass ich anderen etwas beweisen möchte: Dem Chef, der mich ungerecht behandelt hat oder dem Kollegen, der sich für so schlau hält. Diese Menschen sind jedoch nur Stellvertreter, die ich selber wähle. Die Zweifler, denen ich es beweisen möchte, sind in mir. Es sind meine Glaubenssätze aus der Kindheit, die mich auch heute noch antreiben. Einer meiner Kernglaubenssätze ist: “Ich muss leisten, um geliebt zu werden.“

Ich habe heute ein Beispiel aus dem Arbeitsleben gewählt. Aber ich habe es auch in Beziehungen “beweisen wollen”; war ebenso dort von Glaubenssätze getrieben. Auch hier kannst du dir die Frage stellen: was treibt dich und dein Verhalten an? Dein Herz oder Glaubenssätze in deinem Inneren?

Woher kommen Glaubenssätze?

Als Kind haben meine Eltern mich ermutigt und darin bestätigt, dass ich gute Leistungen in der Schule bringen soll. Das ist nichts Verwerfliches oder Grausames. Das ist das System, in dem sie selber sozialisiert wurden. Sie wollten, dass ich viele Chancen im Leben habe und dafür sind gute Noten wichtig.

Leisten zu wollen, um geliebt zu werden, ist ein sehr starker Antreiber. Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe und Nähe. Er möchte gesehen und angenommen werden. Als Kind habe ich gelernt, dass meine Eltern mich sehen und vermeintlich besonders lieb haben, wenn ich gute Leistungen bringe. So hat sich dieser Glaubenssätze gebildet. In der Kindheit werden eine Vielzahl von unterschiedlichen Glaubenssätzen gelernt. Dies ist ein Beispiel, an dem ich es verdeutlichen möchte.

Bewusster Umgang

Sich darüber bewusst zu sein, dass eine Vielzahl von Glaubenssätzen oder auch gelernten Verhaltensmuster in mir wirken, ist der erste wichtige Schritt. Es hilft mir, mich immer wieder mit meinen Motiven auseinander zu setzen. In welche Richtung pushen die Antreiber, die in mir wirken, mein Leben? Ist das die Richtung, in die mein Herz möchte? Oder sind sie vom wahrgenommenen Mangel getrieben, von Glaubenssätzen?

Wenn es leicht ist, bist du im Fluss

Vor ein paar Wochen sagte jemand zu mir den Satz:


“Don’t push the River”


Ein Fluss muss nicht angeschoben oder angetrieben werden. Er fließt in seinem eigenen Tempo. Er möchte aber auch nicht zum Kanal eingezwängt werden oder gestaut werden. Er möchte in dem Tempo fließen, wie es für ihn gerade passend ist. Genauso ist es mit meinem Lebensfluss. Er möchte nicht in eintöniger Routine kanalisiert werden oder durch Bequemlichkeit oder Angst aufgestaut werden. Mein Lebensfluss möchte fließen. Und immer dann, wenn Neues leicht in mein Leben kam, war ich im Fluss des Lebens.

Von Vertrauen getragen

Ich vertraue darauf, dass das Leben mich dorthin trägt, wo ich gerade sein soll. Wenn ich eine Enttäuschung erlebe, spüre ich das Vertrauen meistens eine Zeit lang nicht (lies hier mehr darüber, warum du dich über Enttäuschungen freuen kannst). Ich fühle mich hilflos und machtlos, denn nicht ich habe die Entscheidung getroffen, sondern das Leben hat für mich entschieden.

Ich bin traurig, weil ein Traum nicht in Erfüllung geht. Diese Traurigkeit zu spüren ist wichtig. Trauer hilft loszulassen. Erst wenn ich mich eingelassen habe auf meine Gefühle aus Trauer, Scham, Enttäuschung oder Wut, bekomme ich den nötigen Tiefgang und die Leichtigkeit, mich vom Fluss meines Lebens tragen zu lassen.

Das ist nicht meine Tür

Wenn ich nun an den Job denke, den ich mir so wundervoll in meinen Träumen ausgemalt habe und den ich letzte Woche nicht bekommen habe, so kann ich heute nach einem Wochenende mit Traurigkeit und auch Ehrlichkeit über meine Motive sagen: Das ist nicht meine Tür! Ich habe geklopft, habe mein Bestes gegeben, um sie aufzumachen. Sie ist jedoch nicht aufgegangen. Also ist dies nicht meine Tür. Wenn es meine Tür wäre, dann wäre sie aufgegangen. Ich hätte auch nichts anders machen können. Auch wenn ich mich noch besser vorbereitet hätte, wäre diese Tür für mich nicht aufgegangen. Es gibt für mich nichts zu hadern, zu zweifeln oder zurückzuschauen. Dies ist nicht meine Tür. Das Leben hat für mich die Entscheidung getroffen.

Mache ich es mir damit nicht zu einfach?

“Es hat nicht sollen sein”, kann schnell zu einer Ausrede für alles werden, was nicht gelingt. Frage dich ehrlich: habe ich mein Bestes gegeben? War es mir wichtig genug? Oder war ich zu bequem? Auf die Frage, “warum haben ich am Wochenende nicht im Garten gearbeitet”, ist die Antwort “es hat nicht sollen sein“ eine bequeme Lüge mir selber gegenüber. “Mir war anderes wichtiger“, ist die ehrliche Antwort über die Entscheidung, die ich am Wochenende getroffen habe.

Wenn ich mein Bestes gegeben habe, wenn ich es wichtig genommen habe, und die Tür geht trotzdem nicht auf, ist es nicht meine Tür. So wird ein Schuh daraus.

Meinen Gefühlen in die Augen schauen

Mich ehrlich meinen Gefühlen zu stellen, fand ich nicht einfach. Mir einzugestehen, dass ich mich auch das Ansehen gereizt hat, in dieser Firma zu arbeiten, fühlt sich nicht angenehm an. Ich dachte, Titel und Status bedeuten mir nichts. Auch dem Neid habe ich kurz in die Augen geschaut. Ich wollte, was die Mitarbeiter haben, die dort arbeiten. Diese Gefühle zuzulassen und zu sehen, dass sie Teil von mir sind, war nicht einfach.

Eine Tür, die sich nicht öffnet, ist eine Chance

Wen dies nicht meine Tür war, dann ist es eine andere. Getragen vom Lebensfluss gibt es keinen Stillstand. So wie der Atem immer in mir fließt und ich nichts dafür zu tun brauche, ist auch mein Leben immer im Fluss. Ich weiß, rückblickend werde ich sehr froh sein, dass diese Tür nicht aufgegangen ist. Auch wenn ich die neue Tür jetzt noch nicht sehe, weiß ich: das Leben bringt mich an die Türen, die für mich aufgehen, weil ich dahinter wachsen kann, meine Potenziale weiter entfalten kann.

Und auch eine Tür, die nicht aufgeht, zeigt mir meine Potenziale und Chancen: ich habe die Möglichkeit mit mir und meinen Gefühlen in Kontakt zu kommen. Ich kann dem Raum geben, was in mir ist, auch wenn es Themen sind, die ich lieber nicht sehe. Sie gehören zu mir und sind Teil von mir.

 

Welche Türen in deinem Leben sind nicht für dich aufgegangen?
Wie fühlst du dich heute damit?

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Tür, Port, Gebäude © Ben_Kerckx (pixabay CC-0)

2 Kommentare

  1. Ben

    Sehr schöne, reflektierte und vor allem persönliche Gedanken, die zum eigenen Nachdenken anregen!

    Danke für das ehrliche Teilen, das würde nicht jeder tun!

  2. Pingback:Dein Leben braucht dein Ja - Mut zur Stille

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