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Innere Heimat

Lesezeit: 4 Minuten

Dein Ort

Hast du einen Ort, an dem du dich wirklich zu Hause fühlst? Dies kann ein äußerer Ort sein, an dem du Geborgenheit spürst und die Gewissheit hast: Hier kann ich sein, wie ich wirklich bin.

Diese Art von Heimat kann auch ein innerer Ort sein. Vielleicht hast du für dich ein Ritual oder eine regelmäßige Übung, mit der du diesen Ort aufsuchst. Mit deinem Innehalten, zur Ruhe kommen gehst du in Kontakt mit deinem Herzen und stellst eine Verbindung zu dieser inneren Heimat her.

Verlorene Heimat

Das Thema Heimat war in meinem Leben lange ein wunder Punkt, ohne dass ich es bewusst hätte benennen können. Meine Großeltern und mein Vater sind nach Kriegsende aus Schlesien vertrieben worden. Sie haben in Duisburg einen Ort gefunden, an dem sie ein neues Leben aufgebaut haben. Ich glaube, für meine Großeltern war dennoch Schlesien immer ihre Heimat. Anders als mein Vater sind sie nie dorthin zurückgekehrt, um ihr altes Zuhause zu sehen. Ich glaube, der Schmerz darüber, es verloren zu haben, wäre zu groß gewesen.

Vor sechs Jahren war ich mit einer meiner Schwestern und mit meinen Eltern in der alten Heimat meines Vaters. Mein Vater war nicht zum ersten Mal nach dem Krieg zurück in der Heimat seiner Kindheit. Doch auch nach über 60 Jahren war ihm die Schwere des Verlustes dort vor Ort deutlich anzumerken.

Heimat im Außen und Innen

Viele Menschen haben im oder nach dem Zweiten Weltkrieg ihre äußere Heimat verloren. Und auch heute erleben Flüchtlinge, die auf der Suche nach Sicherheit für sich und ihre Familie ihr Land verlassen, diesen Verlust ihrer Heimat. Die äußere Heimat hat nicht immer etwas mit diesem inneren Ort zu tun. Meine innere Heimat kann ich finden, unabhängig von der äußeren Heimat. Dennoch ist es enorm wichtig, diesen räumlichen Ort zu haben, an dem ich sein kann und sein darf. Um mit meiner inneren Heimat in Kontakt zu kommen, hilft es, auch im Außen eine Umgebung zu haben, in der ich mich geborgen fühle und in der ich das Gefühl habe, hier darf ich ich sein.

Das kann ein Raum sein, in den ich mich zurückziehe oder eine liebevoll gestaltete Ecke, in der ich zur Ruhe komme. Vielleicht ist es auch die ganze Wohnung oder das Haus, in das ich passe und in dem ich so sein kann, wie ich wirklich bin.

Einfach sein

Was meine ich mit diesem inneren Ort? Für mich ist es der Moment, wenn ich mir Zeit und Raum für mich nehme. In diesem Moment gibt es für mich nichts zu leisten, keine Anforderung zu erfüllen. Ich muss mich nicht verstellen oder Ansprüchen genügen. Ja, auch meinen eigenen Ansprüchen muss ich in diesem Moment nicht gerecht werden. Ich darf so sein, wie ich jetzt bin: voller Zweifel oder voller Zuversicht, glücklich oder traurig, mit schweren oder mit leichten Gedanken. Ich bin mir selber willkommen, egal was ich in diesen Moment mitbringe. In diesem Moment darf ich einfach sein. Ich darf so sein wie ich bin, ich darf das fühlen, was gerade da ist.

Diese Momente sind nicht immer nur Momente des Friedens und des Einklangs. Wenn ich das, was in mir ist, zulasse, begegnen mir meine Zweifel, mein Hadern, mein Gefühl nicht dazuzugehören oder meine Traurigkeit. Auch das heißt für mich, dass ich einfach ich selber sein kann. Denn manchmal bin ich voller Zweifel, bin traurig und hadere. Sich gewiss zu sein, dass es einen Raum im Innen und im Außen gibt, an dem auch das sein darf, ist für mich sehr wertvoll. Denn egal wie wohl ich mich auch früher in meinen Wohnungen gefühlt habe, so habe ich mich meiner eigenen Dunkelheit nicht stellen wollen. Die Leere in mir habe ich stattdessen lieber mit Ablenkungen überdeckt. Nur nicht meiner Traurigkeit begegnen.

Mich selber aushalten

Den Mut auch diese Seite an mir zuzulassen und auszuhalten, hat für mich etwas mit ankommen zu tun: ankommen bei mir selber. Dieses Ja zu mir, dass es okay ist, zu hadern und traurig zu sein, hat mein Leben tiefer werden lassen. Die Dunkelheit und eigenen Tiefen aushalten zu können, machen es möglich, dass auch die Freude und Leichtigkeit intensiver wird.

Mir immer wieder die Erlaubnis zu geben, dass ich auch dann ein wertvoller Mensch bin, wenn ich nicht glücklich bin und wenn ich nicht leiste, ist ein wichtiger Schritt für mich. Ich muss nicht immer funktionieren. Ich darf traurig sein, ich darf hadern und zweifeln. Und ich darf weiter mit mir im Reinen sein, auch wenn ich diese Phasen erlebe. Es ist okay, dass ich okay bin!

Heimat fühlen

In mir eine Heimat zu finden, hat für mich nicht direkt etwas mit einem glücklichen Leben zu tun. Sorgen und Ängste kommen trotzdem. Situationen entstehen, die ich nur schwer aushalten kann. Menschen sehen die Welt mit anderen Augen als ich und interpretieren die Situation anders. Vieles geschieht, das eine Dunkelheit und Schwere in mir auslöst. Und dennoch darf ich in mir selber geborgen sein. Ich kann mir selber Heimat sein, indem ich zulasse aber mich selber dabei nicht verlasse.

Traurigkeit und Verzweiflung dürfen sich zeigen, aber ich versuche auf mich zu achten, dass ich keine Geschichte an die Gefühle hänge. Gefühle dürfen kommen und ich lasse sie auch wieder gehen. Das gelingt mir nicht immer. Oft dreht das Gedankenkarussell auf der Stelle und ich kreise immer wieder um die gleichen Sorgen oder den gleichen Hader. Und doch erlebe ich immer wieder diese Momente der Klarheit, dass ich geborgen bin, egal was geschieht. Ich bin Teil von etwas Größerem. Dies zu erleben, lässt mich den Kontakt mit meiner inneren Heimat spüren.

Die Inspiration

Oft ist es ein Anstoß im Außen, der einen Funken der Inspiration entfacht. Mein Funken über das Thema Heimat zu schreiben, war ein Bericht über das Lied ‘Jerusalema’ von Master KG gesungen von Nomcebo Zikode. In diesem heißt es über den Text, dass mit  ‘Jerusalema’ ein spiritueller Ort gemeint ist, an dem man Frieden findet. Dieser spirituelle Ort ist für mich meine innere Heimat.

Das Lied ist mir zuerst über eine der vielen Dance Challenges begegnet. Mitarbeiter eines Flughafens haben zu diesem Lied getanzt, das so voller Freude und Leichtigkeit ist, und mein Herz berührt. Viele weitere Videos Tanzbegeisterter habe ich inzwischen gesehen. Sie alle wollen ein Zeichen der Freude und Hoffnung setzen. Und bei mir ist es ihnen gelungen. Wenn ich das Lied höre und Menschen dazu tanzen sehe, öffnet sich mein Herz. Es entsteht ein Raum, der Leichtigkeit und der Geborgenheit. Dieses Lied hat einen Schlüssel zu meinem Herzen. Es öffnet meinen inneren Ort, lässt mich spüren, dass ich geborgen und zu Hause bin. Ich erlebe einen Moment, in dem ich Frieden finde.

Das Lied Jerusalema und die unzähligen Tanzvideos, die es aus allen Ländern der Welt dazu gibt, haben mir wieder eines gezeigt: Wir sind alle verbunden. Wir sind alle eins! Und im Moment sind wir es mit diesem Lied.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Baby, Vertrauen, Heimat © SeppH (pixabay CC-0)

5 Kommentare

    • Anne Poger

      Liebe Andrea, ich hänge eine Geschichte an die Gefühle, wenn ich mir dazu z.B. erzähle, wie ungerecht das alles ist und warum ausgerechnet mir das passiert. Das wäre eine „ich bin das arme Opfer“-Geschichte. Es gibt auch Helden-Geschichten, wenn ich mir zu den Gefühlen erzähle, wie tapfer und aufopferungsvoll ich es aushalte und wie heldenhaft ich den Beschwernissen des Lebens trotze. Ich bette meine Gefühle ein in ein Konstrukte aus Gedanken, alten Mustern oder Glaubenssätzen und ziehe die Gefühle als „Beweis“ dessen heran. Kennst du solche „Verlängerungen“ von Gefühlen? Ich halte Gefühle länger wach und präsent, indem ich mir und anderen immer wieder die Geschichte dazu erzähle: was er oder sie mir angetan hat, wie ungerecht ich behandelt wurde, wie heldenhaft ich mich aufopfere usw. Ich hoffe, ich konnte etwas deutlicher machen, was ich damit meine „eine Geschichte an die Gefühle“ zu hängen. Alles Liebe Anne

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