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Womit belügst du dich selber?

Das Bild zeigt eine einzelne Margerite, eine Blume, die keine Selbstlüge kennt.
Lesezeit: 3 Minuten

Ist eine Selbstlüge auch eine Lüge?

Ein Zitat von Friedrich Nietzsche hat mich in den letzten Tagen berührt. Und ich habe mich gefragt: Womit belüge ich mich selber?


“Die gewöhnlichste Lüge, ist die, mit der man sich selbst belügt; das Belügen anderer ist relativ der Ausnahmefall.”
Friedrich Nietzsche


Drei Arten von Selbstlügen

Welche Art der Selbstlüge ist dir als Erstes in den Sinn gekommen? Wenn ich das frage, scheint es verschiedene Arten zu geben. Hier die drei Arten der Selbstlüge:

1) Selbstüberschätzung

Bei dieser Art der Selbstlüge reden wir uns ein, dass wir etwas besser können, als es tatsächlich der Fall ist. In einer Studie wurde herausgefunden, dass Menschen, die sich selber vormachen, etwas besser zu können, als es der Realität entspricht, auf andere Menschen kompetenter wirken. Daraus wurde eine Theorie entwickelt: aus evolutorischer Sicht kann es sinnvoll sein, andere glauben zu machen, dass man besser ist, als in der Realität. Die Selbstlüge ist hierbei der Grund, warum man andere überzeugen kann: weil man selber daran glaubt.

2) False-Memory-Syndrom

Zeugenaussagen bei Gericht zeigen immer wieder: Unser Gedächtnis verfälscht Erlebnisse. Menschen erinnern sich sehr unterschiedlich an die Fakten von Ereignissen. Erlebnisse werden anders abgespeichert, als sie geschehen sind. Es kann passieren, dass unser Gedächtnis uns belügt, ohne dass uns das bewusst ist, weil wir z. B. Fakten nicht wahrhaben wollen. Wir reden uns etwas schön und glauben es vollständig, weil wir unsere Erinnerung angepasst haben.

3) Selbstunterschätzung

Diese Art der Selbstlüge ist mir für mich als Erstes in den Sinn gekommen. Ich rede meine Erfolge der Vergangenheit klein und vergleiche mich mit anderen Menschen. Ich sehe meine Fähigkeiten und Talente nicht, sondern führe mir die Möglichkeit des Versagens vor Augen. Diese Art der Selbstlüge wird auch oft als “geringes Selbstbewusstsein” beschrieben.

Vorteile der Selbstüberschätzung

Wenn ich davon überzeugt bin, etwas zu schaffen, obwohl ich die Fähigkeiten nicht habe, kann dies als Selbstüberschätzung bezeichnet werden. Ich kann es jedoch auch als positives Mindset oder Selbstmotivation bezeichnen. Wenn ich daran glaube, eine Aufgabe bewältigen zu können, motiviert mich das. Das haben die Philosophen C. Michel und A. Newen an der Bochumer Universität herausgefunden.

Wo Licht ist, hat Selbstüberschätzung auch Risiken

Geht die Selbstüberschätzung mit einem Verlust des Wirklichkeitsbezugs einher, verschwindet der positive Effekt. In der Studie nennen Michel und Newen das Beispiel eines Vaters, der das rapide Absinken der Schulnoten seines Sohnes mit der Pubertät erklärt, die Alkohol-Eskapaden dabei aber vollständig ausblendet. Weil er die Wirklichkeit nicht sieht, wird er nicht aktiv.

Das eigene Licht unter den Scheffel stellen

Für meine gängigste Art des Selbst-Belügens, die Selbstunterschätzung, dachte ich zunächst, ich könnte keine Vorteile finden. Was soll gut daran sein, sich selber kleinzumachen. Damit ertappe ich mich direkt wieder dabei, mir selber etwas vorzumachen: Mich selber zu unterschätzen hat definitiv Vorteile, sogar sehr dicke Vorteile:
Wenn ich mir vormache, ich kann etwas nicht, dann brauche ich gar nicht erst anzufangen. Wie unglaublich bequem!

  • “Mit der Diät brauche ich gar nicht erst anzufangen, das halte ich ja doch nicht durch.” Und schon ist das nächste Stück Kuchen auf meinem Teller.
  • “Einen Halbmarathon zu laufen, schaffe ich mit meinen Knien nicht.” Eine ehemalige Arbeitskollegin läuft mit der Diagnose MS (Multiple Sklerose) sogenannte Ultra Läufe von über 100 km.
  • “Ich kann meinen Job nicht kündigen, ich finde ja nichts anderes mehr.” Im ungeliebten Job zu bleiben ist viel weniger anstrengend, als mir eine Arbeit zu suchen, die mich mehr erfüllt.
  • “…“
    Welche Selbstlüge steht bei dir an der Stelle der drei Punkte? Wo belügst du dich selber, damit du gar nicht erst anzufangen brauchst.

Dein Moment der inneren Ehrlichkeit

Welche Art der Selbstlüge ist dir für dich spontan als erstes eingefallen? Hast du dich eher bei der Selbstüberschätzung ertappt oder beim Schönreden oder bei der Selbstunterschätzung?

Mache dir bewusst: Du kannst dich selber durchschauen. Nimm dir einen Moment der Ehrlichkeit mit dir selber und höre auf deine innere Stimme. Um in die innere Stille zu kommen und deinem Herzen Raum zu geben, brauchst du nichts weiter zu tun, als deine Augen zu schließen und auf deinen Atem zu achten. Was sagt dein Herz dir genau jetzt? Hast du den Mut, jetzt ehrlich zu dir zu sein?

Und wenn du magst, dann nimm dir vor, dieser inneren Stimme mehr Raum zu geben. Sie begleitet dich auf deinem Weg, authentisch zu sein.

Die Skala verschieben

Eine Bemerkung für dich, wenn du zur Selbstunterschätzung neigst: nimm den Moment der inneren Ehrlichkeit und verschiebe die Skala etwas in Richtung Selbstüberschätzung. Nutze die Macht der Selbstmotivation. Du kannst viel mehr als du denkst. Mache es wie Muhammed Ali, der im Ring ein unglaubliches Selbstbewusstsein ausstrahlte, weil er stets 100 % an sich selber geglaubt hat.

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Margeriten, Gelb, Weiß © pixel2013 (pixabay CC-0)

12 Kommentare

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  11. Wolfgang Schneider

    Liebe Anne,
    lieben Dank für Deinen Text!
    Es stimmt: Selbstunterschätzung kann eine Art Ausrede sein, um nicht anfangen zu müssen.
    Das dahinter liegende Minderwertigkeitsgefühl kann aber derart einbetoniert sein, dass es Dir unmöglich wird, anzufangen.
    In dem Moment hört es auf, eine Selbstlüge zu sein. Glaubenssätze wie“ ‚Das kriege ich eh nicht hin! Dafür bist du zu blöd!‘ können so tief sitzen, dass sie zur unumstößlichen Wahrheit werden.
    Dennoch hast Du Recht. Man kann die Skala verschieben. Aber nur mit einer großen Kraftanstrengung! Und manchmal nur mit professioneller Hilfe….
    Liebe Grüße,
    Wolfgang

    • Anne Poger

      Danke, lieber Wolfgang, für deine Worte. Das eigene Minderwertigkeitsgefühl ist einer der größten Saboteure. Diese oft tief geprägten Sätze fühlen sich durch und durch wahr an. Dennoch sind sie nicht wahr. Ich habe sie als Kind gelernt. Glaubenssätze dieser Art waren meine Möglichkeit, mit der Situation umzugehen. Und als Erwachsener setzen wir dieses Vorgehen fort, weil es uns als Kind beschützt hat oder uns geholfen hat. Und oft finden wir nur mit Hilfe von außen und sehr viel Arbeit da heraus, um zu entdecken: Dies ist gar nicht meine Wahrheit. Ich kann es schaffen! Für mich war es damals eine lebensverändernde Erkenntnis: Ich brauche nicht alles alleine zu versuchen. Ich darf mir Hilfe holen. So konnte ich viele Sätze erkennen, die in meinen Ohren so wahr klangen, und doch nicht der Wahrheit entsprachen. Danke für deinen wertvollen Beitrag. Liebe Grüße Anne

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